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Urteil: Die Verwendung des Begriffs des Urteils ist nicht einheitlich. Wenn das Urteil als die Feststellung des Wahrheitswerts („wahr“ oder „falsch“) einer Aussage aufgefasst wird, wird dies graphisch explizit dargestellt, z.B. mit dem von G. Frege eingeführten Urteilsstrich I-. Siehe auch Wahrheitswert, Urteilsstrich, Satz, Aussage, Äußerung, Behauptung.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Experimentelle Psychologie über Urteile - Lexikon der Argumente

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Urteile/Experimentelle Psychologie/Wilkinson-Ryan: In Bornstein, Rung und Miller (2002)(1) wurde Probanden Material aus einer hypothetischen medizinischen Fehlanwendung gezeigt, in dem ein Patient falsch diagnostiziert wurde und einen Herzinfarkt erlitt und überlebte. Die experimentelle Manipulation war die Information, die die Versuchspersonen über den Grad der Reue des Arztes hatten. In der Kontrollbedingung gab es keine Informationen über Reue. Unter der Bedingung ohne Reue drückte der Arzt keine Reue aus und leugnete sogar die Schuld. Unter der reumütigen Bedingung machte der Arzt keine Aussagen zum Eingeständnis oder Leugnen, sagte aber, dass es ihm "sehr leid" tue, dass der Patient gelitten habe. Die Forscher schlossen auch eine
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"frühe Reue"-Bedingung ein, in der derselbe Ausdruck von Reue während des Prozesses zum Ausdruck kam, aber auch vor dem Prozess, näher zum Zeitpunkt des ursprünglichen Ereignisses. Die abhängige Variable war das Schadensersatzurteil. Seltsamerweise wurden reumütige Übeltäter zwar insgesamt günstiger beurteilt, aber wenn der Angeklagte sich entschuldigte, wurde ihm oft ein höherer Gesamtschaden zugeschrieben. Ein überraschend komplexer Faktor, der die Beurteilung von zwischenmenschlichen Schäden beeinflusst, ist der Faktor Zeit.
Faktor Zeit: Die vielleicht bekannteste Auswirkung des Zeitablaufs auf die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist der sogenannte "hindsight bias" (Verzerrung im Rückblick). Die meisten Fälle (wenn auch nicht alle) werden entschieden, nachdem bekannt ist, dass eine bestimmte Handlung oder Unterlassung zu einem Schaden geführt hat, obwohl dies den Akteuren zum Zeitpunkt der Handlung vielleicht nicht klar oder sogar unvermeidbar war. Eine Sache, die Psychologen in einer Reihe von Kontexten gezeigt haben, ist, dass es sehr schwer ist, die Tatsache eines Ergebnisses zu ignorieren, sobald wir es kennen. Zwei unterschiedliche Phänomene wirken sich auf diese Urteile aus.
Verzerrungen: Die erste ist die Ergebnisverzerrung. Personen, die Entscheidungen oder Entscheidungsprozesse bewerten, neigen dazu, Informationen, die sie über das Ergebnis einer Entscheidung haben, zu berücksichtigen, selbst wenn sie ausdrücklich anerkennen, dass die Bewertung der Entscheidung selbst konzeptionell vom Ergebnis getrennt ist (Baron und Hershey, 1988)(2).
>Kognitive Verzerrungen
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Bekannter ist vielleicht der damit verbundene "Hindsight Bias" (Verzerrung durch Rückblick). Die Forschung zum "Hindsight Bias" zeigt, dass Menschen oft ihr Wissen über ein bestimmtes Ergebnis in ihre Bewertung der Ex-ante-Wahrscheinlichkeit dieses Ergebnisses integrieren - weil z. B. etwas passiert ist, neigen wir dazu zu denken, dass es eindeutig wahrscheinlich war, dass es passiert.
Einschätzungen: In Hastie, Schkade und Payne (1999)(3) wurden Probanden gebeten, den Fall eines gefährlichen Eisenbahnabschnitts zu betrachten, der zu einer Zugentgleisung führen könnte (oder führte). Probanden unter der "Hindsight"-Bedingung, die erfuhren, dass tatsächlich ein Zug entgleist war und großen ökologischen Schaden angerichtet hatte, wurden durch ihr Wissen enorm beeinflusst. Das Wissen um die Entgleisung verdoppelte die Wahrscheinlichkeit, dass ein Proband sagen würde, dass der Antrag der Bahn auf Weiterbetrieb abgelehnt werden sollte, von 33% auf 67%. Die durchschnittliche Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines schweren Unfalls lag bei 34% unter der Voraussichtsbedingung (engl. foresight condition) und bei 59% unter der "Hindsight"-Bedingung.
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Zeitfaktor: Burns, Caruso und Bartels (2012)(4) fanden heraus, dass dasselbe Verhalten als absichtlicher beurteilt wird, wenn wir erfahren, dass es in der Zukunft getan wird, als wenn wir wissen, dass es in der Vergangenheit getan wurde. In einer Studie baten die Forscher die Versuchspersonen einfach, über die Falschangabe von Steuern nachzudenken. Die Hälfte der Probanden wurde Anfang April und die andere Hälfte zwei Wochen später - nach Ablauf der Steuerfrist am 15. April - zum Thema Steuerfälschung befragt. Die Teilnehmer wurden einfach gebeten, den Prozentsatz der absichtlichen Falschangaben innerhalb des allgemeinen Pools der Falschzahler zu schätzen. Sie waren der Meinung, dass zukünftige Falschangaben absichtlicher waren und härter bestraft werden sollten als vergangene Falschangaben.
>Kognitive Verzerrungen/Wirtschaftstheorien.


1. Bornstein, Brian H., Lahna M. Rung, and Monica K. Miller (2002). “The Effects Of Defendant Remorse on Mock Juror Decisions in a Malpractice Case.” Behavioral Sciences and the Law 20: 393–409.
2. Baron, Jonathan and John C. Hershey (1988). “Outcome Bias in Decision Evaluation.” Journal of Personality and Social Psychology 54: 569–579.
3. Hastie, Reid, David Schkade, and John Payne (1999). “Juror Judgments in Civil Cases: Hindsight Effects on Judgments of Liability for Punitive Damages.” Law and Human Behavior 23: 597–614.
4. Burns, Zachary C., Eugene M. Caruso, and Daniel M. Bartels (2012). “Predicting Premeditation: Future Behavior is Seen as More Intentional Than Past Behavior.” Journal of Experimental Psychology: General 141: 227–232.


Wilkinson-Ryan, Tess. „Experimental Psychology and the Law“. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Experimentelle Psychologie

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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